Hier ist herrlich lesen – 100 Jahre Bibliothek in Peitz
Fotos: M. Huhle (c) Amt Peitz
06. Oktober 2023
von Reinhard Stöckel
Jazz- und Karpfenfans kennen Peitz. Und alljährlich pilgern sie zu den Jazztagen oder den Karpfenwochen in dieses Städtchen nördlich von Cottbus. Zumindest einer von ihnen, nämlich der Autor dieses Beitrags, fuhr an diesem milden Oktoberabend dorthin, um einen 100. Geburtstag zu feiern, nämlich den der Bibliothek des Amtes Peitz.
„1923 gründeten Peitzer Bürger auf Beschluss des Magistrats eine Bücherei, um insbesondere der sozial schwachen Einwohnerschaft den Zugang zur Literatur zu ermöglichen.“ So beschreibt Mirko Huhle, im Amt Peitz zuständig für Kultur und Tourismus, den Beginn dieser hundertjährigen Entwicklung von einer kleinen Volksbücherei zur Stadt- und Amtsbibliothek. Nicht zuletzt durch den Umzug im Jahr 2006 in die großzügigen Räume der ehemaligen Tuchfabrik Carl Rehn & Söhne wurde die Einrichtung zu einem literarischen und kulturellen Zentrum der Stadt und der umliegenden Gemeinden.
So sieht man der alten Dame Bibliothek ihre hundert Jahre nicht an. Und sie ist ein lebendiges Beispiel, wie eine solche Einrichtung wechselnde Zeiten und vor allem deren Einsparungswellen überdauert.
Wahrlich ein Grund zum Feiern! Das Team der Bibliothek um Frau Pipka und das Amt hatten eingeladen. Schließlich hatten sich einige Brandenburger Autorinnen und Autoren angekündigt, um mit einer Lesung zu gratulieren. „Hier ist herrlich lesen“ war deren Motto angelehnt an den Titel der Jubiläumsanthologie des VS. Thomas Bruhn als Vorsitzender gratulierte denn auch im Namen des Verbandes.
Stellvertretend für die Amtsdirektorin hielt Frau Lichtblau die Festrede und lud zu Torte (statt Karpfen) und einem Büfett. So konnten die etwa 20 Gäste danach entspannt, ohne Magenknurren und Durstgefühle, der Lesung lauschen und ebenso den jazzigen Klängen von Lu Schulz am Saxophon und Felix Fränkel an der Gitarre.
Ines Göbel von der Cottbuser Literaturwerkstatt führte professionell durch den Abend. Als erste befragte sie Jana Weinert, die aus ihrem jüngsten Buch „Nachtbaden“ las und in einem neueren Text auf amüsante Weise die Frage beantwortete, was ein Brandenburger Landwein und ein echter Brandenburger gemeinsam haben.
Anschließend gab Reglindis Rauca Einblick in ein sehr beklemmendes Kapitel ihrer Familiengeschichte. In einem Auszug aus ihrem Manuskript mit dem Arbeitstitel „Schatten und Licht“ folgt sie deren Spuren bis in die Gegenwart. In Litauen, wo ihr Großvater an der der Ermordung von 10.000 Juden beteiligt war, begegnet sie einer Überlebenden.
Eher heiter beschloss Thomas Bruhn die Leserunde. Seine „Abgrundtiefen Aufzeichnungen“ gaben einen Einblick in das Leben eines ostdeutschen Paares in der Zeit vor dem Mauerfall und ihre erste „Westreise“ danach. Ein Text der spielerisch eine Antwort auf die ernste Frage sucht: Was ist Heimat?
Dieser anregende Abend mit Musik & Literatur war ein Grund mehr im Anschluss bei interessanten Gesprächen miteinander auf die nächsten hundert Jahre anzustoßen: Auf dass Kultur an solchen Orten eine Heimat hat.