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Künstlerischer Mehrklang in der Kunsthalle Brennabor.

Künstlerischer Mehrklang in der Kunsthalle Brennabor.

Ingrid Protze, Elke Hübener-Lipkau, Reglindis Rauca, Christian Pross (v.l.n.r.u.)

Foto (c) Günther Döring

03. Oktober 2021

von Ingrid Protze

Saxophonklänge flossen auf den großen Innenhof der ehemaligen Brennaborwerke der Stadt Brandenburg und lockten sowohl Schrifsteller*innen als Besucher*innen in den 1. Stock zur Lesung in die moderne Kunsthalle Brennabor.
Trotz des letzten warmen Sommersonntagnachmittags am Tag der deutschen Einheit fiel es den Protagonistinnen leicht, in dieser künstlerischen Umgebung für die Anthologie „Begegnungen mit Schriftstellerinnen und Schriftstellern aus Brandenburg“ mit dreißig Texten aus dreißig Jahren VS Brandenburg zu werben.
Reglindis Rauca hatte nicht nur Ihre Schriftstellerkolleginnen zu dieser Lesung eingeladen, die ihre eigenen Texte, Kurzprosa bzw. Essay, vorlasen, sondern moderierte zugleich die Veranstaltung.

Die Instrumentalmusik von Gitarre und Saxophon, gespielt von Christian Pross, gab den Ton vor für die einzelnen Lesungen der drei Autorinnen Reglindis Rauca, Elke Hübener-Lipkau und Ingrid Protze. Zwischen die abwechslungsreichen Lesungen floß u.a. Mercedes Sosa’s Lied von Argentinien her in Wellen über den Atlantik, die sich ins tiefe, unergründliche Blau der von Annette Selle ausgestellten Meeresbilder mischten.

Da jede Autorin jeweils noch zwei weitere Autor*innenstimmen ertönen ließ, erhielten die Zuhörer*innen ein aussagekräftiges und repräsentatives Bild von der Anthologie. Beim Signieren erfuhren die Akteurinnen, daß ihr lesemusischer Nachmittag Anklang gefunden hatte, der nicht zuletzt der Organisatorin Anja Thurm vom Freundeskreis der Kunsthalle Brennabor e.V. zu danken ist. Am Ende erlebten alle Beteiligten einen künstlerischen Mehrklang aus Musik, Literatur und Malerei, vervollkommnet durch die Skulpturen von Claudia Güttner

 

 

 

 

Wozu die Wörter gut sind. Ein Brandenburger in Salzburg.

Wozu die Wörter gut sind. Ein Brandenburger in Salzburg.

Anton Thuswaldner, Reinhard Stöckel (v.l.n.r.)

Foto (c) Kerstin Stöckel

16. Septmeber 2021

von Reinhard Stöckel

Barocker Prunk und jedes Jahr ein Jedermann geläutert auf den Stufen des Doms. Soweit mein Vorurteil. Salzburg schien mir keine Reise wert.  Nun aber hatten sie mich eingeladen, Frau Müry und Frau Dr. Dürnberger, Verlegerin und Lektorin des Müry Salzmann Verlags. Endlich sollte, was von Corona bereits zweimal vereitelt worden war, wahr werden. Eine Lesung. In Salzburg. Sprunghaft gewann die Stadt für mich, dem nach Publikum dürstenden Autor, an Attraktivität. Zu danken war dies auch der Aktion #zweiterfrühling des Netzwerks der Literaturhäuser e.V. und dem Neustart Kultur des Deutschen Literaturfonds e.V.

Bücher, sorgfältig editiert und schön gestaltet, bringt der Müry Salzmann Verlag seit 2009 heraus. Gegründet von der Verlegerin Mona Müry und dem Unternehmer Christian Dreyer alias Salzmann liegt der Verlagsschwerpunkt auf Theater, Literatur und Kunst, Geschichte und Lebensart. Das 20. Jubiläum fiel mit der Notwendigkeit zusammen, neue Räume zu beziehen. Die befinden sich nun, dank einer glücklichen Fügung, in einer ehemaligen Tischlerei zu Füßen des Kapuzinerbergs. Dort lagen, als ich eintraf, verlockend hingebreitet die neusten Bücher auf einem Tisch im extrazimmer.  Ein Extrazimmer, erfuhr ich, entspreche in etwa dem deutschen Begriff des Hinterzimmers, also einem Ort für Glückspieler, Vereinsmeier und Verschwörer, so das Klischee. Dieses extrazimmer jedoch ist ein Raum für das öffentliche Gespräch über Kunst und Literatur, hier nämlich ist eine kleine Galerie zu Hause, die gleichzeitig einen attraktiven Rahmen für Veranstaltungen des Verlages bietet.

Passend zum jüngsten Projekt einer Anthologie anlässlich des 150. Geburtstages Marcel Prousts servierte mir Frau Müry eine Madeleine, jenes Gebäck, dass Proust inspirierte, sich auf die Suche nach der verlorenen Zeit zu begeben. Die Madeleine und auch der Braune, halbe-halbe Kaffee und Milch, schmeckte. So saßen wir im extrazimmer, sprachen über Dialekte, die mal als Stigma, mal als Bereicherung empfunden werden, in denen einzelne Wörter schon absondern oder verbinden. Nicht von ungefähr kamen wir auf die Affinität der Österreicher zu Ostdeutschland zu sprechen. Mit Eleonora Hummel, Jens Wonneberger und mir hat der kleine Verlag drei ostdeutsch sozialisierte Autorinnen und Autoren im Programm. Und wie ein Willkommensgruß für einen Brandenburger hingen da Fotografien mit Motiven aus der Uckermark. Dort hatte der österreichische Fotograf Peter Hellekalek den Stand der Dinge dreißig Jahre nach der Wende dokumentiert. Ruth Mätzler, Autorin und Galeristin konstatierte anlässlich der Ausstellung: „Während die Westdeutschen nach wie vor als die ‚wahren Deutschen‘ erscheinen, bleibt ‚der Ostdeutsche‘ … immer noch ‚der Ostdeutsche‘, so als handele es sich um eine Art exotische Sonderform.“

Der Literaturkritiker Anton Thuswaldner, der die Lesung moderierte, sprach von der Wildheit der ostdeutschen Literatur.  Bereits 2015 schrieb er in einem Essay über die Verwandtschaft der österreichischen mit der ostdeutschen Literatur: »Die österreichische Literatur gilt als die kleine wilde Schwester der deutschen.“ Während sich die (west-)deutschen Erzähler auf eine moderate Mittellage eingeschworen hätten und auf einen harmonisch ausgewogenen Sprachduktus, neigten die österreichischen dazu, über die Stränge zu schlagen. Die österreichischen Literaten probierten aus, „wozu Wörter gut sind«. Sie griffen – wie die Autoren mit DDR-Hintergrund ­– »Autoritäten indirekt an«.

Nach vier Tagen Salzburg hatte die kulturelle und gastronomische Vielfalt in den Straßen der Stadt, ihre beinahe südländische Lebensart mein eingangs erwähntes Vorurteil schwinden lassen. Vor allem hatte mich die literarische Verbundenheit und freundliche Verbindlichkeit meiner österreichischen Gesprächspartnerinnen und -partner schon ein wenig heimisch gemacht. Das ist, wozu die Wörter gut sind.

 

 

 

Besser geht`s nicht! Matinee in der Cottbuser Bibliothek.

Besser geht`s nicht! Matinee in der Cottbuser Bibliothek.

T. Bruhn, M. Körner, C. Gransalke, H. Schatte, R. Stöckel (v.l.n.r.u.)

Fotos/Collage (c) Uta Jakob

12. Septmeber 2021

von Christine Gransalke

Besser geht`s nicht! Beim Heimspiel in Cottbus, an dem vier Autoren und eine Autorin der Region teilnahmen, lagen gute Bedingungen zur Präsentation der Anthologie Hier ist herrlich arbeiten vor. Eine strahlende Sonne lockte viele Leute aus ihren Wohnungen.   

Frau Uta Jacob, Verantwortliche für Öffentlichkeitsarbeit der Bibliothek, freute sich, nach 1 ¾ Jahren Pause, die Türen der Einrichtung wieder für Lesungen öffnen zu können. Nach ihrer Anmoderation und der Staffelstabübergabe an Thomas Bruhn, der dem Publikum zunächst eine ermutigende Anleitung zum Lesen von Anthologien gab, lief alles wie am Schnürchen.

Vor einer aufmerksamen Zuhörerschaft lasen Reinhard Stöckel, Matthias Körner, Thomas Bruhn, Hartmut Schatte und meine Wenigkeit. Der krankheitsbedingt fehlende Jurij Koch wurde mit seinem Beitrag „Landung der Träume“ durch Matthias Körner vertreten.

Neben den eigenen Geistesfrüchten wurden auch ausgesuchte Texte von anderen Autoren vorgetragen. Die ABV-Geschichte von Rita König wurde zudem noch mit einer kleinen Anekdote aus Kindermund von Hartmut Schatte gewürzt. Er und Matthias Körner hatten mit ihren humorvollen Beiträgen die meisten Lacher auf ihrer Seite.

Der freiberufliche Maler Matthias Körner (nicht zu verwechseln mit dem namensgleichen Schriftsteller), auf dessen Werk sich Thomas Bruhns Metamorphose-Beitrag bezieht, war ebenfalls anwesend.

Mal ernst und besinnlich, mal heiter und federleicht, verging die Zeit wie im Fluge.

Mehrere Vierzeiler aus den Texten der Anthologie, die wir uns gegenseitig zu spielten, rundeten die Veranstaltung ab.

Am Ende der Lesung suchten viele Besucher den direkten Kontakt zu uns, kauften Bücher und machten sich inspiriert und gut unterhalten wieder auf den Heimweg. Zur Krönung des Tages gab es draußen noch Sonne pur.   

 

 

 

Im Friedgarten des Pauli Klosters Brandenburg

Im Friedgarten des Pauli Klosters Brandenburg

Andrea Jennert, Astrid Vehstedt, Reglindis Rauca, Christian Pross (v.l.n.r.)

Foto (c) Thomas Bartel

03. Septmeber 2021

von Reglindis Rauca

Nach gefühlt zwei Wochen Regen kam am Freitag die Sonne raus. Drei Autorinnen und ein Musiker machten sich auf den Weg ins Pauli Kloster in Brandenburg an der Havel. Ein beeindruckender mittelalterlicher Bau empfing uns. Durch den Kreuzgang des ehemaligen Dominikanerklosters gelangten wir in den Friedgarten. Der präsentierte sich mit einer fast spirituellen Atmosphäre und ausgezeichneter Akustik. Der Lärm der Stadt ist ausgesperrt. Zeit und Stille zum Hören, Sinnen und Genießen.

Alles war vorbereitet, das Podium aufgebaut, Stühle mit Sitzkissen ins saftig grüne Gras gestellt. Das Kloster-Café Pauline hatte länger geöffnet, so dass wir und die Gäste sich mit Getränken und Kuchen versorgen konnten. Christian Pross und ich luden die Bücher und Instrumente aus, dann kamen, trotz Bahnstreik-Stau, die Autorinnen Astrid Vehstedt aus Berlin und Andrea Jennert aus Potsdam dazu.   

ZuhörerInnen trafen ein, unter ihnen der Brandenburger Maler und Grafiker Thomas Bartel, dessen bildstarke Grafik zu meinem Text in der Anthologie zu sehen ist.  

Punkt sechs ging es los. Ich moderierte an, Christian Pross ließ sein Sopran-Saxophon erklingen und Andrea Jennert begann unseren Lese-Reigen mit den Begegnungen-Skizzen von Jana Weinert.

Wir Autorinnen lasen unsere eigenen Texte und gaben den Texten von Thomas Bruhn, Reinhard Stöckel, Erhard Scherner und Monika Nothing unsere Stimmen. Bei Gitarrenklängen konnten die Gedanken und Sinne schweifen. Ab und zu flog eine Taube auf und durchbrach mit ihrem Flügelschlag die Stille. Nach dem dramatischen Text von Astrid Vehstedt las ich Ines Gerstmanns Gedicht und Christian Pross ließ unsere Lesung mit einer heiteren Impression auf dem Saxophon ausklingen.

Wir beendeten den Abend in der Theaterklause bei angeregten Gesprächen über Berlin, Brandenburg, Jerusalem, Bagdad, Taschkent und Samarkand. Und waren uns einig, dass wir bald wieder diese schöne Stadt besuchen wollen, ihre mittelalterliche Pracht, ihre geistlichen und weltlichen Bauwerke, ihre entspannte Atmosphäre, ihr Havelblau. Auf bald.

 

 

Schöner Sonntag am Rand. In Zollbrücke

Schöner Sonntag am Rand. In Zollbrücke

Wenzel Benn, Thomas Bruhn, Carmen Winter, Jana Franke (v.l.n.r.)

Foto (c) Uwe Wegwert

06. Septmeber 2021

von Thomas Bruhn

Auf der Rückfahrt im Auto sagte Carmen: Schöne Lesung. Sie sagte: Schönes Wetter. Und weiter sagte sie: Schönes Catering, schöne Oder und schönst geschmecktes Eis. Und dann noch: Rundherum alles schön. Ich fragte: Zu schön, um wahr zu sein? ― Nö, jedes Wort wahr.

Ich kann machen was und wie ich es will, komme ich ins Oderbruch fällt mir unweigerlich ― es ist ein Reflex, ich weiß nur nicht ob eine bedingter oder ein unbedingter ― der Text von Hacks ein: Als ich kam ins Oderluch, / Weiden und saures Gras . . . In der zweiten Strophe sind dann die Bagger dran und in der dritten singen die Mädchen im Korn. Bruder, so war das. Schwester, so ist es! 

Heute waren zwei Mädchen und zwei Jungs mit von der Partie. Es wurde nicht gesungen, aber Literatur vorgelesen. Und auch nicht im Korn, sondern in Zollbrücke. Theater am Rand, seit 1998 eine der besonderen Adressen, wenn es um Kunst in Brandenburg geht. Besucher nehmen weite Reisen in Kauf und alle Unbill, die im Kalender steht, um dort eine Vorstellung zu erleben. 

Wir lasen zu dritt: Jana Franke, Carmen Winter und icke; musikalisch begleitete Wenzel Benn mit dem Saxophon.

Matinee bedeutet früh aufstehen. Die Stimme schläft zwei Stunden länger als der Körper, die hats gut. Auf der Strecke von Frankfurt (Oder) nach Zollbrücke lag noch manche Nebelbank über der Landschaft. Aber wenn der Nebel sich hob oder gänzlich sich auflöste, stellten sich die Augen auf Weite ein. Sehen, soweit das Auge reicht. Das war einst der erste Eindruck vom Bruch und ist es heute noch. Im Bruch, so sagt der Volksmund, kann man am Mittwoch sehen, wer am Sonntag zu Besuch kommt. 

Die Entscheidung den Lesetisch nicht auf, sondern vor die Bühne zu stellen, hatten Jana und Wenzel schon getroffen. Ran an die Zuschauer und Zuhörer und Tontechnik weg. Die Akustik lud förmlich zu dieser Entscheidung ein. Die Besucher sagten nach der Vorstellung, daß sie die Nähe durchaus genossen und jedes Wort verstanden hätten. Nähe und Distanz zugleich, das mach mal einer nach.

Das Schöne an den meisten Texten, die wir heuer lesen, ist, daß sie nichts damit zu tun haben, weil sie davor entstanden sind. 

Es gibt Kollegen, die suchen sich die Muggen nach dem Catering aus. Im Theater am Rand wären sie goldrichtig. Das mag daran liegen, daß die Theaterleute selbst genug unterwegs sind und wissen, was einem auf Gastspielreise gut tut. Kaffee und Tee, Säfte und Brausen, Wässerchen und Wasser, Stullen zum Selberschmieren und Selberessen, Obst und Gemüse und zum Mittag, an einem warmen Tag, aus der Randwirtschaft eine wunderbare Dahl-Suppe. 

Die Besucher fuhren, so hatten wir den Eindruck, gut unterhalten und inspiriert nach Hause ― wir folgten, nach dem Besuch des Ziegenhofes, gut verköstigt und mit diversen Köstlichkeiten versorgt. 

Ein schöner Sonntag. Im wahrsten Sinne des Wortes. Herrliches Arbeiten. Was will man mehr.